Abwrackprämie für die Karriere

Seit einigen Jahren werden wir mit finanzieller Hilfe dazu ermuntert, möglichst schnell nach der Geburt der Brut wieder arbeitenderweise dem Volkswohl zu dienen. Die Botschaft für alle: Kinder kriegen ist wie eine Blinddarm-OP mit anschließender Kur, die auch Väter antreten können. Ja, sogar Führungspositionen sollen uns auf diese Weise offen stehen. Herrlich.

 

Doch was ist das? Jetzt bekommen wir 150 Euro im Monat geschenkt, wenn wir doch lieber zwei Jahre länger pausieren. Denn der liebe Staat gibt uns Steuergeld dafür, wenn wir unser Kind nicht in staatliche Kitas geben. Das Signal an die Arbeitgeber lautet nun: Frauen bleiben besser zu Hause.

 

Geht’s noch?

 

Eine Belohnung für die Nichtinanspruchname begrenzt vorhandener staatlicher Leistungen? Eine Belohnung für das dauerhafte Verschwinden aus sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen? Von unserem eigenen Steuergeld?

 

Das so genannte Betreuungsgeld ist ein erneutes Beispiel dafür, wie mit kurzfristigen Steuergeschenken das öffentliche Augenlicht verwischt wird. Denn eigentlich hält sich Vater Staat aus dem Thema Kinderbetreuung weitgehend heraus. Schließlich ist Schule Ländersache und die Schaffung von Betreuungseinrichtungen müssen die Kommunen organisieren. Und dass in Deutschland Erzieher schlecht ausgebildet und bezahlt werden und ansonsten auch gern arbeitslose Verkäuferinnen genommen werden – Stichwort „Schlecker-Frauen“ - lässt erahnen, wie es um die bundesweiten Bemühungen in Sachen Bilderungsförderung bestellt ist.

 

Und überhaupt: Wer glaubt eigentlich, dass das Thema Kinderbetreuung mit dem Eintritt in die Schule beendet ist? Wohl nur die Politiker. Denn der Staat erklärt täglich ab zwölf, ein Uhr mittags seinen Bildungsauftrag für beendet und lässt zudem glauben, dass zwölf Wochen im Jahr das Thema Ganztagsbetreuung neben der Karriere beider Eltern spielend zu wuppen ist.

 

Schon mal darüber nachgedacht? Für die Kinderbetreuung von über Sechsjährigen bekommen Millionen von Müttern nicht einen müden Cent und müssen – wenn sie nicht die Bildungsqualität ihrer Kinder ihrer Berufstätigkeit nach Schulschluss opfern - Karriere und Altersvorsorge für viele Jahre wie selbstverständlich vergessen. Was sind da zwei Jahre, die mit 150 Euro im Monat Abwrackprämie für die Karriere subventioniert werden? Ein Witz.

 

Denn die Wahrheit ist: Vor allem wir Frauen sind es, die weiterhin - wie schon vor 50 Jahren - mit ihren Kindern am Nachmittag Englischvokabeln, Textaufgaben und Diktate üben, den Haushalt schmeißen und Arztbesuche absolvieren. Morgens dürfen wir dann für drei, vier Stunden Tippse spielen, putzen gehen, in Kantinen Essen kochen oder in der Schule ehrenamtlich Milch verkaufen oder glaubt hier eine, dass uns jemand unter diesen Voraussetzungen einen Führungsjob in einer Vorstandsetage gibt? Bei zwölf Wochen Urlaubsbedarf im Jahr?

 

Die Herdprämie ist nichts anderes als Heuchelei angesichts fehlender Ideen. Liebe Politiker, denkt Euch was Besseres aus, wie zum Beispiel ein Modell zur hochwertigen Schulkinderbetreuung am Nachmittag.

 

Es ist Zeit dafür, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen, Müttern und Vätern eine Selbstverständlichkeit in Unternehmen, Gesellschaft und Politik wird. Und dass Kinder auch über sechs Jahren gleiche Bildungschancen haben - egal ob die Eltern nachmittags arbeiten oder nicht.

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